Verlorengegangenes wieder sichtbar machen: Wie arbeitet eine Restauratorin?
Ein Interview mit Christin Dahmen, Restauratorin u.a. der Antikensammlung der Kunsthalle zu Kiel
Frau Dahmen, wann haben Sie sich entschieden Restauratorin zu werden?
Das war schon nach der Schule mein Berufswunsch. Restaurierung studieren konnte man aber nur mit einer handwerklichen Ausbildung. Ich habe dann eine Lehrstelle als Steinmetzin gefunden und bin nach deren Abschluss vier Jahre auf Wanderschaft gegangen. Dabei konnte ich in ganz vielen verschiedenen Bereichen arbeiten. Steinmetzbetriebe stellen ja nicht nur Grabsteine, Küchenarbeitsplatten oder Marmorfußböden her, sondern sind auch oft bei der Restaurierung von alten Häusern beteiligt. So bin ich nach und nach über die Auftragslage in die Restaurierung gerutscht.
Sie sind haben zusätzlich noch eine Ausbildung als Holzbildhauerin, d. h. Sie arbeiten mit zwei sehr unterschiedlichen Werkstoffen. Bevorzugen Sie einen von beiden?
Ich wollte einen Beruf, der es mir ermöglicht, damit älter zu werden – Stein ist als Werkstoff enorm schwer, das erfordert viel Kraft und Körpergewicht. Das schwere Material hat den Vorteil, dass man lernt, seinen Grips einzusetzen, wenn man es bewegen möchte. Man lernt mit Hebelwirkung und Kanttechniken zu arbeiten, nutzt verschiedene Transportwagen.
Holz ist einfacher in der Handhabung und außerdem haben mich auch das Aussehen, die Vielseitigkeit und die Wärme des Werkstoffes gereizt. Ich mag Holz tatsächlich etwas lieber.
In der Kunsthalle und bei Ornamentikaufträgen am Bau arbeite ich zurzeit allerdings sehr viel mit Gips. Dieses Material mag ich auch sehr gerne, denn es ist vielseitig und leicht zu bearbeiten. Und man kann damit nicht nur etwas hinzufügen, sondern es (zur Not) auch wieder entfernen und neu ergänzen, wenn es doch nicht passt.
Mit welchen Arbeiten beschäftigen Sie sich zurzeit?
In der Antikensammlung arbeite ich an einem Relief aus Gips, bei dem sich Risse um eine Figur gebildet haben. Dort trage ich das Material von hinten ab und lege eine sog. Armierung, ein Gewebe aus Glasfaser, als Festigung ein. Danach wird der Gips wieder aufgetragen.
Außerdem bereite ich mit Kustos Dr. Manual Flecker eine Sonderausstellung vor, die im Oktober eröffnet wird.
http://www.antikensammlung-kiel.de/ausstellungen/antikensamlung-sonderausstellung.html
Und in Flensburg restauriere ich gerade die Ornamentikkassetten eines alten Hauses, die mit Ornamentik gefüllt waren. Dort werden schadhafte oder fehlende Teile ergänzt und mit einer Modelliermasse abgegossen. Und die Abgüsse kommen dann wieder dahin, wo die entfernten oder kaputten Originale waren.
Zur Person
Restauratorin Christin Dahmen, hier bei Arbeiten an einem Fassadenornament, ist ausgebildete Steinmetzin und Holzbildhauerin und arbeitet unter anderem in der Antikensammlung der Kunsthalle zu Kiel.
Foto © C. Dahmen
Selbst sehr kleine Fundstücke – Scherben, der Teil einer Statue, eine Holzfigur, der Ausschnitt eines Bildes – können in der Archäologie von großer Bedeutung sein.
Könnten Sie dafür ein Beispiel aus Ihrer eigenen Arbeit nennen?
Das hängt immer sehr davon ab, welchen Stellenwert bzw. welche Gesamtwirkung das Werk hat, an dem man arbeitet. Bei Hausornamenten gibt es Objekte, wo die Denkmalpflege regelmäßig kommt und schaut und am Anfang auch erst mal ein Modell sehen will. Gerade bei repräsentativen Bauten wird da sehr genau hingesehen.
Welches war ihr schönster bisheriger „Wow“-Moment oder ihre herausforderndste Aufgabe als Restauratorin?
Das schöne ist, dass mit jeder Aufgabe eine neue Herausforderung auf dich zukommt – ein neues Objekt, ein neues Element an der Fassade – und jedes erfordert ein ’sich Hineindenken‘: Wie sah es ursprünglich aus, wie haben die Menschen das damals gemacht, wie machst du das jetzt?
Den Wow-Moment gibt es jedes Mal, wenn ich etwas wieder sichtbar machen konnte. Letztes Jahr musste ich den zerbrochenen Flügel einer Figur wieder zusammensetzen, das war eine Puzzlearbeit von vielen Wochen. Als er fertig war, war ich richtig glücklich!
Mit welchen Hilfsmitteln arbeitet eine Restauratorin? Sind das Sachen die jeder kennt, so wie Pattex, oder eher ausgefallene, zb. Haare aus dem 3-D-Drucker?
Pattex ist ein Kontaktkleber, den würde man heute nicht mehr benutzen, denn er dünstet aus und verfärbt oder versprödet mit der Zeit das Material. Besser ist Epoxidharz, ein Zwei-Komponenten-Kleber.
RestauratorInnen stehen heute vor der Herausforderung Hilfsmittel zu wählen, die möglichst wenig Einfluss auf das Objekt haben. Die Frage ist immer: wie kriege ich es hin, dass zukünftige Generationen das Objekt genauso sehen wie ich es heute sehe – ohne dass sich zb. später Verfärbungen bilden oder sich die Struktur des Materials verändert.
Kann man heute neue Techniken einsetzen, die es vielleicht vor zehn, zwanzig Jahren noch nicht gab?
In den letzten 20 Jahren haben sich eher kleine Dinge entwickelt, zum Beispiel gibt es viel bessere Kleber. Die größere Revolution liegt weiter zurück und betrifft eher die Einstellung zum Objekt an sich. Will ich etwas konservieren, also den Zustand, den es hat, erhalten? Oder will ich es restaurieren, im Sinne von renovieren, also einen möglicherwiese mal gewesenen Zustand wieder herstellen? (Das ist heikel, denn dort kommt man immer in einen Bereich, in dem man etwas in das Objekt hineininterpretieren könnte – aus seiner eigenen Zeitgeschichte und Lebenserfahrung heraus.)
Heute versucht man deshalb eher, die Dinge für sich stehen zu lassen. Das kann dann auch dazu führen, dass ein Werk eben nicht komplett wieder hergestellt werden kann, weil Fotos, Zeichnungen, Belege darüber fehlen, wie es ursprünglich ausgesehen hat. Das lässt man heute dann eher so stehen.
Welche persönlichen Eigenschaften oder Einstellungen braucht eine Restauratorin neben einer guten Ausbildung?
Ich würde sagen, man braucht eine spezielle Art von Geduld. Ich bin mit dem Material und auch mit Tätigkeiten die sich immer wiederholen, sehr geduldig, aber auf anderen Ebenen im Alltag kann ich sehr ungeduldig sein! Man muss die nötige Ruhe für die kleinteiligen Tätigkeiten haben. Und man braucht wirklich das Streben nach dem Bestmöglichen. Ich kann zb. stundenlang Farben anrühren, wenn ich mit dem Farbton noch nicht zufrieden bin. Das mache ich so lange, bis ich wirklich sagen kann, ja, jetzt habe ich die Farbe getroffen.
Was mögen Sie an Ihrem Beruf und was weniger?
Bestimmte Bedingungen mag ich nicht, zb. den Zeitdruck – alles muss am Besten gestern schon fertig sein. Ich freue mich, wenn ich dem Objekt die Zeit geben kann, die ich brauche, um mit dem Ergebnis wirklich zufrieden zu sein. Das ist aber nicht immer möglich, gerade im Zusammenhang mit einer Baurenovierung, bei der Handwerker aus unterschiedlichen Bereichen eingebunden sind und alle nur ein bestimmtes Zeitfenster für ihre Arbeit haben.
Und generell stört mich, dass man sehr viel mit unterschiedlichen Chemikalien arbeitet.
Aber insgesamt passen mein Beruf und ich gut zusammen. Mit meinen Fähigkeiten bin ich in der Antikensammlung gut aufgehoben, kann diese dort sinnvoll einsetzen und arbeite dort richtig gerne!
Auf der Spur: Wie funktioniert eigentlich eine Hundenase?
Ein Interview mit Biologin und Suchhundetrainerin Lea Jaster vom K-9 Suchhundezentrum Nord& der Hundeschule Eckernförde.
Spielt der Geruchssinn bei Hunden wirklich eine so viel größere Rolle als Hören und Sehen?
Ja, definitiv. Hunde sind Nasentiere, die nehmen ihre Umwelt vor allem über Gerüche wahr. Der Geruchssinn ist wirklich sehr, sehr wichtig. Das sieht man zb. an blinden Hunden, die sich trotzdem noch sehr gut in ihrer Umgebung zurechtfinden können. Ich habe im Training einen blinden Hund, der im Endeffekt sogar schneller gelernt hat als die sehenden Hunde, weil er sich auf seine Nase konzentriert hat.
Warum können Hunde eigentlich so viel besser riechen als Menschen?
Menschen und Hunde haben beide Riechzellen auf der Nasenschleimhaut. Beim Hund ist die Fläche der Schleimhaut im Vergleich zum Menschen aber sehr eng aneinander gefaltet, und wenn man sie auseinanderfalten würde, wäre sie etwas zehnmal so groß wie die der menschlichen Nase. Ein Mensch hat ca. 10 Millionen Riechzellen und ein Hund ca. 200 Millionen Riechzellen.
Gibt es vielleicht auch Hunde, die doch mehr ihre Augen und Ohren nutzen als ihre Nase?
Die Nase zu benutzen ist den Hunden in die Wiege gelegt. Spurensuche oder Zielobjekt-Suche (ZOS®) können alle Hunde lernen, unabhängig von Rasse, Alter oder Größe. Aber man muss schon gucken, wofür ist der Hund eigentlich gemacht. Hunde, die dafür gezüchtet wurden nach Sichtreizen zu arbeiten, zb. Border Collies, sind bei der Nasenarbeit zwar auch super, aber sie lassen sich mehr von Bewegungen in ihrer Umgebung ablenken. Typische Spurenleser wie Schweißhund oder Bloodhound blenden alles aus und konzentrieren sich auf den Geruch. Wir sagen im Training „sie trüffeln sich weg“. Sie nehmen gar nicht mehr wahr, was außen rum um sie passiert.
Es heißt ja, dass Hunde sogar mehrere Tage oder Wochen alte Spuren noch verfolgen können. Wie funktioniert das?
Jeder Mensch verliert laufend viele kleine Hautschüppchen und andere Geruchspartikel, zirka 40.000 pro Minute. Für uns Menschen sind diese nicht sichtbar, aber wenn wir im Suchtraining eine Spur anlegen, also jemanden vorausschicken, den der Hund dann suchen soll, folgt der Hund genau dieser Partikelspur. Er läuft dabei aber meist nicht schnurgerade den Weg ab, den der Mensch vorher gelaufen ist, sondern verlässt den Weg oder läuft in Schlangenlinien. Das liegt daran, dass schwere Geruchspartikel eher liegen bleiben und die leichten von der Luftbewegung zur Seite weggedrückt werden. Tatsächlich können Hunde auch mehrere Tage oder sogar Wochen alten Spuren folgen. Das liegt an den schweren Partikeln, die so lange liegen bleiben, dass sie immer noch riechbar sind. Dafür müssen Hunde allerdings schon eine gewisse Ausbildung haben.
Im Buch klagt Flo einmal über eine „Geruchsverwirrung“, weil zu viele verschiedene Gerüche vorhanden sind. Ist die Nasenarbeit für Hunde eigentlich anstrengend?
Ja. Wir machen uns diese Schwierigkeiten im Training auch zunutze, indem die Person, die gesucht werden soll, nicht nur geradeaus läuft sondern auch mal im Kreis oder kreuz und quer. Dann überlagern sich die Geruchspartikel und die Suchaufgabe für den suchenden Hund wird schwieriger. Wir achten aber im Training darauf, dass der Hund immer eine Situation hat, die er noch allein lösen kann.
Zur Person
Lea Jaster ist Biologin, ausgebildete Suchhundetrainerin für Mantrailing und Zielobjekt-Suche ZOS® und Stützpunktleiterin Kiel des K-9 Suchhundezentrums Nord& Hundeschule Eckernförde.
Foto: Capturelight Design
Foto oben: Lydia Borgers
Warum sind Hundenasen eigentlich fast immer feucht? Hat das auch etwas mit dem Riechen zu tun?
Hunde haben in der Nase Schleimhäute mit Schleimdrüsen, die immer ein Sekret aussondern Die Geruchsmoleküle aus der Luft bleiben im Schleim hängen und der Hund kann sie besser aufnehmen. Es hat aber auch mit der Wärmeregulation zu tun. Über das Hecheln, aber auch über die Nase, verdunstet der Hund Feuchtigkeit und kühlt sich ab.
Wie sind deine Erfahrungen mit ehemaligen Straßenhunden? Gibt es besondere Eigenschaften oder Herausforderungen, die sie mitbringen?
Ich habe gerne Straßenhunde im Training, denn sie bringen eine gewisse Intelligenz mit, die sie für das Überleben auf der Straße gebraucht haben. Sie sind fix im Kopf, lernen schnell, und wenn sie ein Problem haben, lösen sie es sehr charmant.
Straßenhunde bringen oft auch einen starken Jagdtrieb mit. Ist Nasenarbeit eine Möglichkeit, den zu kontrollieren?
Nasenarbeit bietet die Möglichkeit dieses Jagdverhalten umzulenken. Der Hund kann sein Bedürfnis nach Schnüffeln und Stöbern ausleben, aber zusammen und kontrolliert durch den Besitzer. Dadurch lernt der Hund gezielt sein Talent zur Jagd einzusetzen und sieht es dann im Alltag als nicht mehr so wichtig an. Meine eigene Hündin ist ein Podenco-Mix und fand die Jagd auf Kaninchen und Katzen großartig. Ich hatte aber dann im Training mal die Situation, dass ein Kaninchen vorbeihoppelte und auf der Straße sitzenblieb. Sie war sehr aufgeregt, hat sich dann aber gegen das Kaninchen und für die Spurensuche entschieden, weil sie die Aufgabe, die versteckte Person zu finden, wichtiger fand.